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Sprechen Sie Corona? Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt vor zunehmendem Rassismus und einer humanitären Krise im Zuge von COVID-19 in vielen Ländern

In der Krise ist deutlich geworden, dass die Pandemie - und die Reaktionen darauf - bestehende Ungleichheiten, und zwar im globalen Maßstab, mehr als andere Ereignisse offenlegt und auch vertieft. Viele Menschen in Deutschland und anderen Ländern Europas und der Welt sind durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie aber auch durch die Erkrankung an COVID-19 in eine schwierige Lage geraten.Wir haben uns an die FUEN Mitgliedsorganisation Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gewandt, um einen Überblick über die Situation der Sinti und Roma in Deutschland zu erhalten.

Der Zentralrat erklärt, dass natürlich viele Sinti und Roma, die in selbständigen Berufen arbeiten, z.B. als Künstler oder Handwerker, von den Einschränkungen im wirtschaftlichen Bereich besonders betroffen sind, ebenso wie Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. Zugewanderte Roma-Familien können zum Teil ihre Kinder nicht beim Homeschooling unterstützen, weil es an Platz, Technik und Wissen der Eltern mangelt. Das betrifft auch andere marginalisierte Gruppen und Migranten in Deutschland. Vor allem, wenn Deutsch zuhause weder gesprochen noch geschrieben wird, kann das zu einer Benachteiligung der Kinder im Bereich Bildung führen.

Die Situation in Deutschland ist dabei nicht vergleichbar mit der Lebenssituation vieler Roma in Osteuropa und auf dem West-Balkan, insbesondere in segregierten Wohnvierteln, die von grundlegender Infrastruktur wie fließendem Wasser oder adäquater ärztlicher Versorgung abgeschnitten sind. Bereits seit Mitte März 2020 hat sich der Zentralrat in den Medien pro-aktiv mit den großen Risiken eines zunehmenden Rassismus gegenüber Roma und Sinti in ganz Europa sowie mit der humanitären Krise befasst, mit der die Roma Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa konfrontiert sind. Eine äußerst bedrohliche Praxis ist die gewaltsame Segregation von Wohngebieten, durch die die Roma von jeglicher medizinischer Versorgung ausgeschlossen und die Versorgung mit Lebensmitteln und allen anderen Dingen des täglichen Bedarfs abgeschnitten wird (Link zu: https://zentralrat.sintiundroma.de/en/central-council-of-german-sinti-and-roma-warns-of-racism-in-the-corona-crisis/).

Viele etablierte Zeitungen und Fernsehsender in Deutschland berichteten über die besondere Verwundbarkeit von Roma-Gemeinschaften im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der bestehenden strukturellen Ungleichheiten und der Zunahme des Rassismus. Doch selbst gut gemeinte Artikel werden online oft von rassistischen Kommentaren begleitet, die zu Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung von Roma aufrufen. Der Zentralrat fordert die entsprechenden Medienanbieter auf, ihrer Verantwortung nachzukommen und solche Online-Kommentarbereiche zu überwachen und zu moderieren.

Es zeigt sich jedoch, dass in der Corona-Krise Antiziganismusvirulent wird und die Minderheit in einigen Ländern als Sündenbock fungiert. Hassreden verbreiten sich online in sozialen Medien sowie insbesondere in den Kommentarbereichen der Mainstream- und Online-Medien. Es herrscht ein Mangel an Bewusstsein oder sogar Ignoranz und Verleugnung in Bezug auf den Antiziganismusin den Medien und auf Plattformen der sozialen Medien, was dazu führt, dass es derzeit wenig Überwachung, Interventionen und Sanktionen gegen Antiziganismus im Internet gibt.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat eine Reihe stigmatisierender und rassistischer Medienartikel sowie gefälschter Nachrichten über Sinti und Roma im Zusammenhang mit COVID-19 dokumentiert. Im Online-Bereich bestehen besondere Schwierigkeiten, Schritte in die Wege zu leiten, wird die Website auf Servern im Ausland gehostet. Jedoch werden ihre Beschwerdebriefe auch bezüglich Webseiten, die von einem deutschen Provider gehostet werden, abgelehnt.

"Während wir im Zusammenhang mit COVID-19 zunehmendHassreden online beobachten können, haben wir derzeit nicht die Kapazitäten, eine systematische Überwachung zu realisieren, in allen Fällen einzugreifen und Beschwerde- und Strafverfolgungsverfahren einzuleiten", so der Zentralrat. Deshalb setzt sich die Organisation seit über einem Jahr für die Einrichtung eines Überwachungs- und Informationsgremiums fürden Antiziganismus in Deutschland ein.

Der Zentralrat setzt sich in der Öffentlichkeit und in den Medien intensiv für die Bekämpfung des Antiziganismus ein und hat eine Reihe von Publikationen zu relevanten Themen herausgegeben.

Der Zentralrat und das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma haben gemeinsam mit dem zuständigen Gremium für Hassreden im Internet in Deutschland, jugendschutz.net, ein spezifisches Monitoring entwickelt, das im Dezember 2018 veröffentlicht wurde.

Wir danken dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma für ihren Beitrag zu diesem Artikel.

Im April 2020 hat die FUEN eine Umfrage mit dem Titel Do You Speak Corona? zur Situation der europäischen Minderheiten während der Pandemie durchgeführt. Der Online-Fragebogen konzentrierte sich auf die Verfügbarkeit von Informationen im Zusammenhang mit COVID-19 im Allgemeinen, auf Gesundheitsinformationen im Zusammenhang mit dem Ausbruch, auf das Vorhandensein einer in der Minderheitensprache betriebenen Notfall-Hotline und auf die Verfügbarkeit von Online-Unterricht in der Minderheitensprache. Der Kurzbericht über die Ergebnisse kann unter folgendem Link eingesehen werden, den gesamten Bericht im PDF-Format  können Sie unter folgendem Link herunterladen.

Diese Reihe von Fallstudien ist die Fortsetzung des Projekts Do You Speak Corona?

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