Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten
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Konferenzreihe „Minderheitenschutz und Volksgruppenrechte in Mittel- und Mittelosteuropa“ widmete sich Ungarn, Kroatien und der Slowakei

Am 25. März 2021 setzten die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen ihr im Oktober 2020 gestartetes und im Februar 2021 ausgeweitetes Online-Konferenzformat „Minderheitenschutz und Volksgruppenrechte in Mittel- und Mittelosteuropa“ fort. Der Fokus lag diesmal auf Ungarn, Kroatien und der Slowakei. In zehnminütigen Referaten schilderten Expertinnen und Experten den rechtlichen Rahmen in den jeweiligen Ländern sowie praktische Erfahrungen mit dessen Umsetzung. Durch Fragen aus dem Publikum konnte zudem auch auf einzelne Punkte vertiefend eingegangen werden.

Zum Auftakt fasste der Staats- und Völkerrechtler Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gilbert Gornig den bisherigen Konferenzverlauf zusammen und merkte gleichzeitig an, dass es trotz der bereits im Verlauf der Tagungsreihe erfassten Minderheitensituationen noch viele weitere europäische Länder mit insgesamt etwa 300 Minderheiten gibt, die eine genauere Betrachtung verdienen. Zumindest einigen von ihnen wolle man sich auch in zukünftigen Tagungen widmen.

Auch Dr. Markus Pieper, MdEP, ging in seinem Grußwort auf die Vielfalt Europas ein und sprach zugleich vom hohen Stellenwert der Erinnerungskultur, die ihn auch mit seinen familiären Wurzeln in Ostpreußen verbinde. Es sei wichtig, dass man heute für diejenigen, die in nationalen Staaten Minderheit sind und ihre Rechte einfordern, eine europäische Plattform und vor allem europäische Hilfsmöglichkeiten auch legislativ biete. In diesem Sinne regte er auch ein „MinoritySafepack 2.0“ an, um diese Initiative noch breiter aufzustellen. „Ich finde es klasse, dass sie mit der FUEN und auch mit der Kulturstiftung immer wieder auf die Minderheitenrechte glaubhaft aufmerksam machen, politisch auch Initiativen und Maßnahmen einfordern. Hören sie damit nicht auf, machen sie damit umso stärker weiter, denn ihre Anliegen sind absolut wichtig und werden bei uns auch Gehör finden,“ sagte Pieper.

Anschließend übernahm mit Bogna Koreng eine in Minderheitenthemen sehr erfahrene Journalistin vom MDR die Moderation. Einführend verwies sie darauf, dass die nationalstaatliche Zuständigkeit für Minderheiten ein Problem darstellen kann. So hätten noch immer nicht alle Länder die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprache unterzeichnet. Der Minderheitenschutz entwickele sich in den einzelnen Staaten historisch, politisch und gesellschaftlich bedingt unterschiedlich. Zum Überblick über diese Entwicklungen in Mittel- und Mittelosteuropa trage die Konferenzreihe der FUEN und Kulturstiftung nun bei.

Als erster Referent sprach Prof. Dr. Balázs Vizi über die rechtliche Situation in Ungarn. Im Karpatenbecken seien derzeit 13 anerkannte nationale und ethnische Minderheiten beheimatet, sagte er. Eine Anerkennung bedürfe der Erfüllung gewisser Kriterien, wie der mindestens 100-jährigen Anwesenheit der Minderheit im Land sowie der Zustimmung des Parlaments. Aus dieser Anerkennung erfolgten einige Rechte wie Vorzugssitze im Parlament und die Organisation in nationalen Selbstverwaltungen im Land. Die sei durch die seit 1989 offen geführte Diskussion über Inklusion erreicht worden. Die Integration bleibe jedoch gerade bei der Roma-Minderheit weiterhin ein Problem.

Prof. Dr. Elisabeth Sándor-Szalay, Ombudsfrau für Minderheitenrechte in Ungarn, legte die praktische Umsetzung dar. Ihr Amt sei nicht nur Anlaufstelle für Probleme, sondern habe auch die Aufgabe, Wissen zu vermitteln und Informationen zu streuen. Ohne Regionalbüros sei dies von der Zentrale in Budapest erst in den letzten Jahren weiträumig in Angriff genommen worden. Zu den wichtigsten Problemen, die an Elisabeth Sándor-Szalay als Ombudsfrau herangetragen werden, zählen gerade in der Corona-Krise Fragen der Finanzierung und der Bildung. Prozentual kämen die meisten Eingaben von der Roma-Minderheit, gefolgt von der deutschen Minderheit in Ungarn.

Auch für Kroatien konnte der Politikwissenschaftler Dr. Boško Picula über reservierte Sitze im Parlament für die Minderheiten berichten. Nicht alle Volksgruppen haben hier jedoch einen eigenen Vertreter, einige von ihnen werden von einem gemeinsamen Repräsentanten vertreten. Die Vertretung gegenüber der Regierung findet über einen Minderheitenrat statt. Bei den 22 anerkannten Minderheiten im Land stellen die Serben die größte Gruppe mit fast 50 Prozent der gesamten Minderheitenbevölkerung.

Seit fast 20 Jahren ist Aleksandar Tolnauer Präsident des Minderheitenrates Kroatiens. Er berichtete auf der Konferenz von den im Land aufkommenden Problemen mit extrem nationalistischen Gruppierungen. Sie stellten sich gegen die Finanzierung etwa von Minderheitenpublikationen. Dennoch habe der Minderheitenrat den Minderheitenschutz im Land auf den Gebieten der Kultur, der Religion und in der Arbeitswelt nach dem Jugoslawienkrieg vorantreiben können. Er sei zuversichtlich, dass weitere positive Entwicklungen möglich seien, sagte Tolnauer abschließend.

Danach sprach der Jurist János Fiala-Butora über die rechtlichen Bedingungen für Minderheiten in der Slowakei. Die Gesetze seien ganz auf die slowakische Mehrheitsbevölkerung ausgerichtet, sagte er. Obwohl Ungarn zehn Prozent der Gesamtbevölkerung stellten, sei ihre Sprache keine offizielle Landessprache. Im öffentlichen Raum seien ungarische Aufschriften oder einsprachige ungarische Werbung bereits mit Bußgeldern belegt worden. Dies erhöhe den Assimilationsdruck und führe langfristig zum Sprachverlust. Auch seien im Gegensatz zu Ungarn und Kroatien derzeit keine Minderheiten direkt im Parlament vertreten.

Als Bevollmächtigter der slowakischen Regierung für Minderheitenfragen sprach auch Dr. László Bukovszky die Probleme im Land an. Neun anerkannte Minderheitensprache gebe es im Land, die damit verbundenen Rechte würden aber nicht überall gleich durchgesetzt. So seien etwa Formulare in den Minderheitensprachen nicht überall vorhanden. Man arbeite aber zumindest daran, mehrsprachige öffentliche Informationen in den entsprechenden Regionen mit hohem Minderheitenanteil zugänglich zu machen. Auch fiele die im europäischen Vergleich hohe Grenze von 20 Prozent bei der Einstufung als Region mit einer signifikanten Minderheitenbevölkerung demnächst auf 15 Prozent. Abhängig sei dies von den nächsten Volkszählungen.

Zum Abschluss der Veranstaltung merkte Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gilbert Gornig an, dass viele der heutigen Minderheitenprobleme in Mittel- und Mittelosteuropa aus Versäumnissen der Neuordnung Europas nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg erwuchsen. Dafür gelte es nun nach gemeinsamen, europäischen Lösungen zu suchen. Auch in diesem Sinne wird die Online-Konferenzreihe „Minderheitenschutz und Volksgruppenrechte in Mittel- und Mittelosteuropa“ am 29. April fortgesetzt mit dem Länderfokus Ukraine, Estland und Bulgarien.

Die Aufzeichnung der Konferenz wird auf den Youtube-Kanälen der FUEN und der Kulturstiftung abrufbar sein.

Weitere Informationen zu den Experten und zum Konferenzprogramm finden Sie auf: https://minorityconf.org/

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