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Tagung zur Minderheitenpolitik: Erfolg in Deutschland, Ernüchterung auf EU-Ebene

Die deutsche Aussiedler- und Minderheitenpolitik ist eine Erfolgsgeschichte, aber ein einheitlicher europäischer Ansatz fehlt weiterhin – das wurde bei einer digitalen Tagung der Deutschen Gesellschaft am 28. Oktober aus vielen Blickwinkeln beleuchtet. Die FUEN war dabei mit zwei Rednern vertreten. Ziel der Veranstaltung war eine Bestandsaufnahme der Aussiedler- und Minderheitenpolitik Deutschlands, die Einordnung in den europäischen Vergleich durch den Blick in andere Staaten sowie die Diskussion von Perspektiven einer möglichen europäischen Regulierung des Politikfeldes.

„Aussiedlerpolitik ist seit vielen Jahrzehnten ein Schwerpunkt des deutschen Regierungshandelns“, sagte Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Seit den 1950er-Jahren habe die Bundesrepublik mehr als 4,5 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler aufgenommen und sich kontinuierlich für die Verbesserung ihrer sowie der Situation der deutschen Minderheiten im Ausland sowie von nationalen Minderheiten in Deutschland eingesetzt.

„Ein Rückblick auf die vergangenen 30 Jahre Minderheitenpolitik in Europa zeigt zwar Erfolge, aber auch viele Konflikte und Rückschritte“, mahnte Prof. Dr. Jørgen Kühl, Vorstandsvorsitzender des European Centre for Minority Issues (ECMI), in seinem Vortrag an. Als negatives Beispiel nannte er, dass „die innovative, von der FUEN vorgebrachte Minority SafePack Initiative noch immer durch die EU-Kommission ignoriert wird“.

In der anschließenden Podiumsdiskussion bezogen Vertreter verschiedener modellhafter Regionen, in denen minderheitenpolitische Standards gesetzt werden, Stellung. In diesem Rahmen schilderte FUEN-Vizepräsident Daniel Alfreider, Landeshauptmann-Stellvertreter der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, die aus seiner Sicht vorbildlichen Bedingungen, die in seiner Heimatregion, in der Deutsche, Italiener und Ladiner leben. „Ich sehe vor allem im Bereich Bildung ein Riesenpotential an Modellen und Projekten, die wir zwingend zwischen den Minderheiten austauschen müssen“, sagte er. Dies praktiziere die FUEN in ihrer eigenen Arbeitsgruppe Bildung.

Sollte das Zusammenleben in der deutsch-dänischen Grenzregion als internationales Vorbild dienen? Über diese Frage wurde eingehend diskutiert. „Modelle funktionieren immer nur dann, wenn Staaten mitspielen“, unterstrich Jan Diedrichsen, Leiter der Vertretung des Schleswig-Holsteinischen Landtages bei der Europäischen Union in Brüssel. Er warnte davor, lediglich aufgrund einer guten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von beispielhafter Minderheitenpolitik zu sprechen. Gleichzeitig sehe er die Europäische Kommission endlich in der Pflicht, die kulturelle und sprachliche Vielfalt auf europäischer Ebene zu sichern – das könne nicht bloß mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit abgespeist werden.

„Die Verankerung der Minderheitenrechte auf EU-Ebene ist von enormer Relevanz – und wir halten an der Forderungen der ,Minority Safepack Initiative‘ fest“, forderte schließlich FUEN-Vizepräsidentin Dr. Angelika Mlinar. Sie erläuterte in ihrem Vortrag die europäische Bürgerinitiative „Minority SafePack“, welche von über 1,2 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern unterzeichnet wurde, jedoch trotz der breiten Unterstützung in der europäischen Bevölkerung in diesem Jahr von der Europäischen Kommission abgewiesen wurde. Derzeit befindet sich die FUEN in einem Klageverfahren, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes wird Ende 2022 erwartet.

Auf EU-Ebene wird Minderheitenpolitik nur unter dem Punkt der Antidiskriminierung berücksichtigt, obwohl es zunehmend Stimmen gibt, die eine spezifische Regulierung minderheitenpolitischer Fragen seitens der EU fordern. Zur MSPI nahm der politische Referent der Europäischen Kommission Nikolaus von Peter, Stellung: „Die Kommission hat nur einen begrenzten Kompetenzbereich. Der EU-Vertrag erwähnt den Minderheitenschutz bereits explizit, er gehöre zu den zentralen Werten. Wir meinen, dass wir da schon recht weit sind und es zum jetzigen Zeitpunkt keinen weiteren Handlungsbedarf gibt.“

Dem widersprachen Angelika Mlinar und Hartmut Koschyk, Parlamentarischer Staatssekretär a. D. und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft e. V. „Politik versteht sich als Gestaltungsmacht nach innen und nach außen. Da sollte die Kommission doch mutiger sein bei diesem Thema“, forderte er. „Minderheitenschutz lediglich unter dem Aspekt der Antidiskriminierung zu betrachten ist mir zu wenig lebensnah.“

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